Ich habe Depressionen – Was nun?!

Vorneweg: Ich selbst leide zum Glück nicht an Depressionen, habe ich ja schon genug mit meiner Angststörung und Zwangserkrankung zu kämpfen. Im Rahmen meiner „Ab zur Psychotherapie“-Reihe, möchte ich aber die verschiedensten psychischen Probleme, Therapien & Co. beleuchten, weswegen meine liebe Bekannte Michi heute einen Gastartikel für euch geschrieben hat.

Was sind eigentlich Depressionen?

Bevor sie euch aber Rede und Antwort steht und die wichtigsten eurer Fragen beantwortet, möchte ich nur kurz darauf eingehen, was Depressionen überhaupt sind. Laut Wikipedia äußern sich Depressionen durch negative Stimmungen und Gedanken sowie Verlust von Freude, Lustempfinden, Interesse, Antrieb, Selbstwertgefühl, Leistungsfähigkeit und Einfühlungsvermögen. Diese Symptome treten auch bei gesunden Menschen zeitweise auf. Bei Depressionen sind sie jedoch länger vorhanden, schwerwiegender ausgeprägt und senken deutlich die Lebensqualität. Sprich nur weil man mal kurzzeitig betrübt oder deprimiert über eine private Enttäuschung, einen beruflichen Misserfolg, eine Trennung oder den Verlust eines geliebten Menschen ist, ist dies noch keine Depression. Wenn der Zustand aber länger anhält und einem die Lebensfreude nimmt, sollte man allerdings umgehend einen Arzt aufsuchen.

Und ich glaube hierbei liegt auch das Problem, denn „mal eben einen Arzt aufsuchen“ ist aus meinen Erfahrungen bei psychischen Erkrankungen gar nicht so einfach. Ich selbst wusste z.B. lange gar nicht, dass mit mir ernsthaft etwas nicht stimmt und hätte ich 2015 keinen Nervenzusammenbruch auf der Arbeit gehabt und wäre anschließend nicht ins Kriseninterventionszentrum Wien gebracht worden (übrigens eine sehr gute Anlaufstelle für akuten Krisensituation!), wäre ich vermutlich bis heute nicht in Therapie. Denn: Wohin wendet man sich? Wird eine Therapie von der Krankenkasse bezahlt? Bin ich wirklich krank, oder geht die Phase auch alleine vorüber? Was sagen meine Freunde dazu? Fragen über Fragen, die ich mir damals gestellt habe und mich im Rahmen dieser Serie auch erreicht haben. Michi war nun so nett und hat diese für euch beantwortet…

Wie macht man den ersten Schritt zur Psychotherapie?
Kurz vielleicht noch vor der Beantwortung dieser Frage zu meiner Person. Ich heiße Michi, bin 29 Jahre alt und seit knapp einem Jahr in Psychotherapie aufgrund meiner Depression. Ein paar Jahre bevor ich überhaupt den Schritt zur Psychotherapie gewagt habe, hatte ich ebenfalls eine Depression, die ich aber irgendwie untergetaucht habe. Damals wollte ich mich behandeln lassen, da es mir psychisch extrem schlecht ging, mein damaliger Freund aber dagegen war, weil er meinte, man würde dann abhängig von Antidepressiva werden und ohne gar nicht mehr glücklich sein können. Was im Nachhinein gesehen vollkommener Blödsinn war, ich wusste es jedoch zum damaligen Zeitpunkt einfach nicht besser.

Also wie macht man denn eigentlich den ersten Schritt zur Psychotherapie? Das ist eine sehr gute Frage und ich denke das ist sehr individuell. Was ich jedem, der sich mit dieser Frage beschäftigt, raten würde, ist sich ein Erstgespräch bei einem Psychotherapeuten auszumachen und auch diese Frage stellen. Bei mir war der ausschlaggebende Punkt im Leben, als es mir seit Monaten bereits richtig miserabel ging und ich wusste, ich brauche Hilfe, weil ich es alleine nicht schaffe. Zu dem Zeitpunkt war ich so depressiv, dass ich nach dem Aufwachen erstmal los heulen musste, weil es nicht anders ging. Ich war non-stop sehr traurig, sehr erschöpft und mit allem überfordert. Nicht selten hatte ich Tage, wo es für mich bereits ein Erfolg war, als ich es aus dem Schlafzimmer ins Wohnzimmer geschafft habe und an guten Tagen war ich dazwischen noch Duschen, mehr aber auch nicht.

Grundsätzlich würde ich aber raten – sich auch im Zweifelsfall professionelle Hilfe zu holen. Denn gerade bei einer Depression, die sich anschleicht, ist es so wie mit einem Frosch im kochenden Wasser. Man merkt, dass man Hilfe braucht, erst wenn es leider schon zu spät ist. Nicht zu spät, um wieder gesund zu werden, aber doch eventuell zu spät und man ist schon in der tiefsten depressiven Phase drin, die man hätte vermeiden können. Vorsorge ist in diesem Fall besser als Nachsorge!

Wie finde ich heraus, ob ich eine brauche bzw. sie mir weiterhelfen könnte? Ich vermute, dass ich an Depressionen leide, möchte mich aber nicht „blamieren“, denn vielleicht sind es nur Stimmungsschwankungen?
Gerade von vielen Freundinnen bekomme ich dieselbe Frage gestellt. Oft ist die weibliche Stimmung besonders vom Zyklus abhängig. Ich habe beispielsweise tendenziell während meiner PMS-Phase schlechte Stimmung. Während meiner fruchtbaren Phase ist aber meist alles tip-top. Ob du eine Psychotherapie brauchst, oder eine Depression hast, kann dir nur anhand deiner Erzählungen, ein Arzt sagen. Und wie gesagt, im Zweifelsfall bitte unbedingt zum Arzt gehen! Oft hat man nämlich das Gefühl, es wären nur Stimmungsschwankungen oder man hat gerade einfach „nur eine schlechte Phase“ aber oft versteckt sich dahinter viel mehr, als man im ersten Moment vermutet und das kann nur ein Arzt beurteilen.

Wo finde ich den richtigen Therapeuten? Mein Hausarzt konnte mir nicht weiterhelfen.
Ich hatte das Glück, dass mir unterschiedliche Therapeuten von Freundinnen empfohlen worden sind. Als ich bei meiner Psychotherapeutin zum Erst- und den ersten paar Folgegesprächen war, hat sie mir auch sofort gesagt, ich muss ihr unbedingt sagen, wenn ich das Gefühl habe, wir wären nicht auf derselben Wellenlänge. Das ist ganz besonders wichtig!! Denn versteht man sich mit dem Therapeuten nicht zu 100% kann man sich ihm/ihr auch nicht so öffnen, dass es einem helfen würde, bzw. nimmt die Ratschläge vielleicht nicht so an, wie man es könnte und sollte. Ich denke auf diversen Arzt-Suchportalen findet man gute Therapeuten anhand der Bewertungen und es ist zwar anfangs etwas „langwieriger“ aber hier gilt – probieren geht über studieren. Und um euch zu beruhigen, meine Hausärztin konnte mir hier auch nicht weiterhelfen.

Wann wird es von der Krankenkasse bezahlt? Muss ich da etwas Spezielles vorweisen.
Ja, die Krankenkasse übernimmt einen Teil der Behandlungskosten. Je nachdem zu welchem Therapeuten ihr geht, erstattet die Krankenkasse mehr oder weniger. Bei einem ausschließlichen Psychotherapeuten ist es ein Teil, meine Ärztin ist Neurologin und Psychotherapeutin, daher übernimmt hier die Krankenkasse einen größeren Anteil der Kosten.Hier reicht es mit dem Formular für Kostenerstattung der Krankenkasse, samt der Honorarnote an die Kasse zu schicken und ein paar Wochen später bekommt man ein Schreiben, dass ein Betrag X auf das angegebene Konto überwiesen wurde oder dass die Krankenkasse noch etwas zusätzliches braucht, wie beispielsweise eine Zahlungsbestätigung. Anmerkung Carmen: Bei mir wird der volle Betrag von der Krankenkasse erstattet, dazu werde ich noch mal gesondert einen Blogbeitrag verfassen.

Wie läuft das Erstgespräch ab? Irgendwie traue ich mich nämlich nicht einer fremden Person gleich meine Probleme zu erzählen…
Das ist vollkommen verständlich! Das Erstgespräch ist meist ziemlich ernüchternd. Zumindest war es das für mich, da ich selbst nicht wirklich gewusst habe, was auf mich zukommt und meine Erwartungen viel höher waren. Aber das Erstgespräch ist nun mal „nur“ ein ERSTgespräch. Man checkt sich gegenseitig ab, es werden Formalitäten geklärt – wie die Therapie abläuft usw. da jeder Arzt seine eigenen Abläufe hat. Ich habe nur kurz erzählt was für „grobe“ Beschwerden ich habe und dass meine Hausärztin meinte, es wären typische Anzeichen einer Depression und ich solle mir doch einen Psychotherapeuten suchen, wenn ich Anti-Depressiva nehme (die sie mir selbst verschrieben hat). Bei meiner Therapeutin hatte ich von Anfang an ein super Gefühl und wir harmonieren, nach wie vor, sehr gut, daher blieb ich auch bei ihr weiter in Behandlung. Ich habe mir dann einen Folgetermin ausgemacht und seither bin ich 1x ungefähr alle zwei Wochen bei ihr.
Also keine Angst, man muss nicht sein Innerstes direkt beim Erstgespräch vor dem Gegenüber offenbaren, das kommt mit der Zeit! Außerdem muss euch der Therapeut auch zuerst ein bisschen mehr kennenlernen, wie ihr so tickt, was eure Ansichten aufs Leben sind usw. usf.

Was wenn man sich mit der Therapeutin nicht versteht? Kann man wechseln?
Ja, unbedingt! Und jeder professionelle Therapeut wird euch das auch immer sagen bzw. empfehlen. Es hat nun mal keinen Sinn, sich von jemandem therapieren lassen zu wollen, wenn man nicht auf derselben Wellenlänge ist. Meine Therapeutin hat es mir am Anfang auch gesagt und hat mir sogar angeboten mir Kontakte zu geben, sollte ich nach ein paar Sitzungen doch der Meinung sein, dass wir kein Match sind. Also keine Angst, solltest du bereits in Therapie sein und du hast das Gefühl, ihr harmoniert nicht miteinander, kannst du es ruhig sagen und im Normalfall wird dir dein Therapeut zumindest Alternativen anbieten.

Hast du deinen Freunden von Anfang an erzählt, dass du in Therapie bist? Und erzählt man sowas in der Arbeit oder eher nicht? Ich weiß nicht, wem ich es erzählen „darf“ und wem besser nicht.
Ich bin mit dem Thema Depression und Therapie schon immer sehr offen umgegangen. Wieso sollte ich es denn auch verheimlichen? Es ist nun mal eine Krankheit und man kann ja selbst nichts dafür. Also wieso sollte ich mich für etwas schämen, wofür ich nichts kann? Ich weiß, das sieht man oft selbst nicht so, denn man hat ja kein physischen Leiden. Aber ich sage immer – es ist genau dasselbe, als wenn ich mir das Bein brechen würde, dann gehe ich zum Orthopäden und ich habe eben ein Leiden auf der Seele, deshalb gehe ich zum Psychotherapeuten.
Betreffend Arbeit – das müsst ihr selbst einschätzen. Je nach Arbeitsatmosphäre, sind die Kollegen hierfür eher verständnisvoll oder sind sie generell eher sehr konservativ..? Das könnt aber nur ihr selbst beurteilen. Und wenn du das Gefühl hast, du möchtest es niemanden erzählen, dann ist es ebenso. Hier würde ich empfehlen – erzähle es, wenn du dich sicher fühlst und wenn du ein komisches Gefühl hast, dann lass es bleiben. Man kann es ja später, wenn es einem vielleicht schon etwas besser geht auch noch immer ansprechen.

Ich beginne bald mit meiner Therapie, habe aber Angst es zu erzählen, da ich bis jetzt nur Spott von Bekannten dafür bekommen habe.
Du musst es ja auch niemanden erzählen! Höre auf dein Bauchgefühl, das liegt meist immer richtig. Ich kann die beschriebene Situation sehr gut nachempfinden. Habe mich auch genau aus diesem Grund von meiner damaligen besten Freundin „getrennt“. Ich hatte zu dem Zeitpunkt meine tiefste Depression, konnte nichts unternehmen, war stets sehr traurig, antriebslos und erschöpft. Sie meinte jedoch, sie weiß es besser und man muss ja nur gesund werden wollen und am besten gehe ich jeden Tag mit ihr spazieren usw. usf. Es half leider auch nicht, als ich versucht habe zu erklären, wie es mir geht. Zurück bekam ich nur Unverständnis, denn „das ist ja nicht so schlimm“ und Ratschläge à la ich weiß, was du jetzt tun musst, damit es dir besser geht. Das war für mich zusätzlicher Druck, den ich einfach nicht ertragen konnte, gepaart mit dem Unverständnis für meine Situation (dir geht es finanziell gut, Arbeit passt, Wohnung schön, Freund hast du auch usw.), hat es mir einfach gereicht. Und um ehrlich zu sein, Menschen, die sich über eine Krankheit von Freunden oder Bekannten lustig machen, oder sie gar verspotten, braucht man nicht im Leben. Mir zumindest hat der Schritt sich von solchen Leuten im Leben zu trennen, sehr gut getan und ich fühlte mich viel befreiter.

Wie lange glaubst du braucht man bei einer Therapie? (Habe Depressionen und Panikattacken)
Das hängt natürlich immer davon ab, „wie man beinand“ ist. Ich denke medikamentös eine Depression und Panikattacken in den Griff zu bekommen, ist „nicht schwer“. Allerdings sollte man das immer mit einer Therapie verbinden, denn diese Krankheiten werden nicht einfach so ausgelöst. Und genau den Grund zu finden, dauert oft länger, da es vielleicht etwas in der Kindheit war, oder etwas mit den Eltern oder wie auch immer. Und die Therapie ist im Prinzip dafür da, diese Ursachen zu finden, diese aufzuarbeiten und auch dafür, dass man solche Krankheiten in Zukunft viel früher selbst erkennt und in einem frühen Stadium zum Arzt geht. Wie gesagt, ich bin seit knapp einem Jahr in Therapie, es ist in der Zwischenzeit allerdings auch so viel in meinem Privatleben passiert, dass ich bestimmt noch lange hingehen werde, um alles was mir auf dem Herzen liegt aufzuarbeiten. Außerdem finde ich es auch sehr angenehm mit meiner Therapeutin aktuelle Themen aus meinem Leben zu besprechen und eine professionelle Sicht auf die Dinge zu bekommen. So all in all würde ich sicher mit einem dreiviertel Jahr wenn nicht länger rechnen. Allerdings ist es dann auch nicht so oft, wenn man bedenkt, dass man ungefähr 2-3x im Monat zur Therapie geht, wie bei mir.

Habt ihr nun noch Fragen, Wünsche oder Anregungen, dann schreibt mir gerne! Auch seid ihr gerne dazu eingeladen eure Erfahrungen rund um dieses Thema zu teilen. Egal, ob ihr selbst Therapeutin seid, oder eine Therapie gemacht habt, etwas über eure Erkrankung und eure Geschichte erzählen wollt, bitte gerne per mail@chamy.at (oder Messenger, Instagram, Facebook) melden!!! Sofern ihr möchtet, bleibt ihr natürlich vollkommen anonym.

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Vorwort – Ab zur Psychotherapie!
Ich habe Depressionen – Was nun?!
Wochenbettdepression – „Wenn die Freude über’s Baby ausbleibt“

Symbolfoto: Free-Photos über Pixabay

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